Aktualisiert am 19. Januar 2019 von Tobias
Uhh, eine spannende Frage: was ist ein perfekter Reisetag? Diese Frage stellt Sabine aktuell in ihrem Blog, Ferngeweht. Da komme ich doch sogleich ins Grübeln. Was ist eigentlich Reisen? Die meisten unserer perfekten Familien-Tage sind Wander- oder Klettertage. Aber diese Art Bewegung ist aus moderner Sicht wohl kaum eine Reise! Zum Glück also (für die Beantwortung dieser Frage) tun wir Fünf auch andere Dinge, die schon eher an „modernes“ Reisen erinnern. Städte anschauen zum Beispiel. Wenn es sein muss zumindest. Aber was soll das heißen, „sein müssen“, und warum?
Warum wir doch immer wieder Städte anschauen
Eigentlich sind wir keine klassischen Stadt-Typen. Zwar haben wir Eltern beide schon recht viele Großstadt-Jahre hinter uns. Aber mit Familie strengt uns Stadtbesuch jetzt doch eher an. Warum also so was im Urlaub tun? Wie gesagt, meist widerfährt uns das eher. Die Situation ist immer die gleiche: wir sind irgendwo auf Wandertour, eine längere Strecke. Nach einigen Tagen oder Wochen ist das Ziel erreicht. Dank unserer wunderbaren begeisterungsfähigen Kinder meist viel schneller als in der Planung vorgesehen. Und dann? Nach etwas Grübeln kommen wir meist zu dem Ergebnis, nun doch noch irgendeine Stadt auf dem Heimweg anzuschauen. Ja, man vergisst schnell, warum das beim letzten Mal anstrengend war. Aber wie passt diese zweitbeste Beschäftigung nun zum perfekten Reisetag?
Diese perfekten Tage entstehen tatsächlich für uns ganz überraschend. Fast jedes mal, wenn wir in einer neuen Stadt ankommen, kommen wir nach Studium der Touristen-Infos zu dem Schluss, dass irgendein besonders tolles Naherholungsgebiet zuallererst anschauenswert ist. Was für eine logische Idee, für einen Städte-Trip ;-). Offenbar haften wir doch ein wenig an dieser Natur-Sache? Jedenfalls beschert uns die Kombination aus geringer Erwartung (Straßenschluchten? Autos? Hektik?) und tollem Natur-Erlebnis so regelmäßig Erfolgserlebnisse.
Da die Erinnerung kurz ist und die Erinnerungs-Beschönigung allzu schnell geht, hier ein ganz frischer Bericht von solch einem Geschehnis direkt aus dem aktuellen Sommerurlaub in Norwegen. Nach spannender Wetterabwechslung mit Schneesturm und Winter-Wunder-Welt wollten wir uns gerne ein wenig kultiviert erholen. So hatten wir gleich dreimal schönes Stadt-Natur-Erleben. Zuerst in Kristiansand, dann nochmal in Oslo und zum guten Schluss bei einem Abstecher in Dresden. Und unverbesserlich sind wir jedesmal wieder überrascht, wie toll das doch sein kann. „Mitten“ in der großen Stadt! Erzählen werdie ich aus Kristiansand, der kleinsten der drei Städte, in der es am aller-aller-schönsten war!
Kristiansand, Familien-Besichtigung im Natur-Modus
Die Ankunft in Kristiansand, einer kleinen Stadt ganz im Süden von Norwegen, gestaltete sich zunächst etwas schwierig. Es war schon Abends, kurz vor Sonnenuntergang, und wir hatten gerade eine längere Busfahrt aus den Bergen des Setesdal hinter uns gebracht. Und leider war das Handy, das uns treu durch drei Wochen Wanderung begleitet hatte, gerade eben ausgefallen. Und die PIN für Haustüre und Schlüsselsafe im Hotel Sjøgløtt sollte per SMS zugestellt werden. Und die Rezeption war gerade seit einer halben Stunde nicht mehr besetzt. Schon doof, wenn man mit seinen drei Kindern vor einer verschlossenen Tür steht, mit gemütlich aussehendem Hotel dahinter! Dabei war schon der Weg zum Hotel nicht ganz einfach, hatten wir doch eigentlich vor, uns ganz bequem und dekadent auf unsere Handy-Navigation zu verlassen (zum Glück gibt es auch heute noch Wegweiser und Straßenschilder als „Backup“!).
Erfreulicherweise gelang es uns dann mittels Ersatzhandy und Notfallnummer des Hotels doch noch, uns Zutritt ins gemütliche Reich zu verschaffen. Und erfreulicherweise hatte das Hotel (zu unserer großen Überraschung!) statt des gewünschten Familienzimmers gleich eine ganze Ferienwohnung für uns reserviert. Was für ein wahnsinniger Kontrast zu drei Wochen Hütten- und Zelt-Leben in der Hardangervidda! Und – eine spezielle Freude besonders für die Kinder – im Frühstücksraum des Hotels fanden sich Waffeleisen und Waffelteig zum selber backen. Ein rundum motivierender Einstieg ins Stadt-Leben!
Was dann geschah, ist weiter oben schon beschrieben: das Studium des Stadtplans führt uns zu der Erkenntnis respektive Überzeugung, dass es offensichtlich am schönsten und spannendsten ist auf der Insel Odderøya, direkt vor der Innenstadt. Zufrieden verteilen wir uns auf die zahlreichen Betten unseres geräumigen neuen Heims und schlafen bald tief und fest.
Auf in die Stadt! Oder so ähnlich …
Der nächste Morgen bringt strahlenden Sonnenschein. Also, auf dem schnellsten Weg zu „unserer“ Insel! Der grobe Plan ist, diese einmal zu umrunden. Doch schon auf dem Weg zur Insel entdecken wir erstaunliche Dinge. Sozusagen ein Sandkasten für Große: Sand-Skulpturen, die ganz klar auf Vergänglichkeit abzielen. Auch für die Kinder spannend, fast zu spannend, um die Finger davon zu lassen …
Gleich zu Beginn der Umrundung dann eine wundervolle Überraschung: Sand gibt es hier auch naturbelassen! Hier wartet ein perfekt sonniger Sandstrand, ganz für uns alleine! Die großen Kinder beginnen sofort mit dem Bau von allerlei Kanälen und Burgen. Und wir Eltern dürfen ganz gemütlich zuschauen. Zumal unser Kleinster sehr süß und brav in der abgestellten Kraxe schläft.
Und – Nichtstun am Strand war noch nie unser Ding – wir erkunden ganz gemütlich ein bisschen die Granit-Klippen, die den Strand begrenzen. Ach, was kann man da schön drauf herumkraxeln! Es tut schon manchmal gut, auch von den Kindern getrennt Dinge zu tun. Und wenn es nur für fünf Minuten ist!
Dennoch sind es natürlich wir Eltern, die irgendwann weiter gehen wollen. Nur widerwillig verlassen die Kinder diesen entzückenden Ort. Aber wir sind ja zum Sightseeing in „die Stadt“ gekommen, und nicht zum Spaß!
Und wer weiß, welche städtischen Highlights wohl noch auf uns warten? Also los, schnell geht‘s weiter! Nach ein paar malerischen Spazierweg-Metern tut sich plötzlich eine für uns unwiderstehliche Möglichkeit auf: vor uns liegt ein ganz kleiner und steil aussehender Pfad! Wo sonst könnten wir lang gehen, wenn nicht dort lang? auch die Kinder sind nach etwas Verwunderung schnell einverstanden, dass wir diesen Weg nehmen müssen.
Geschichtsstunde Live!
Interessant sieht es hier aus, mit verfallenen Treppen, überwucherten Wegen, alten Mäuerchen. Fast so, als habe es hier früher einmal Infrastruktur gegeben? Wir Amateur-Touristen kennen uns hier einfach nicht aus! Schnell weiter, nach ganz oben. vielleicht wartet dort des Rätsels Lösung? Und tatsächlich, auf dem Gipfel unseres Hügels finden wir mehrere betonierte kreisrunde Vertiefungen im Boden. Die Überreste einer alten Geschützstellung – irgendwie gruselig! Aber auch morbide romantisch, so verwittert und mit Moos überzogen. Und die Kinder nehmen die Szenerie sofort als hervorragenden Spielplatz an.
Aber immer noch drängt es uns Erwachsene weiter. Wir wollen die Stadt (?) entdecken! Und tatsächlich, noch ein paar Meter weiter stehen wir plötzlich einer großen Kanone gegenüber. Nicht etwa eines dieser Museumsexemplare aus dem Mittelalter. Nein, hier scheint es sich um ein veritables Geschütz zu handeln.
Zum Glück für uns Sightseeing-Unkundige gibt es daneben auch eine kleine Erklärungs-Tafel. Tatsächlich war offenbar die ganze Insel früher ein norwegischer Armeestützpunkt. Hier wurde sich in den Weltkriegen vor Invasion verteidigt. mehr oder weniger. Eine spannende Aufgabe, den Kindern das alles irgendwie zu erklären. Und warum es nicht so gut ist, was wir Deutschen damals hier getan haben.
Da ist der Weiterweg, weg von der Geschützstellung, schon viel gemütlicher. Wir probieren aus, wie es sich über den malerischen Rücken vor der Kanone (wohl das Schussfeld …) hinab in Richtung der Spitze der Insel läuft. Das geht natürlich ganz fantastisch, immerhin hat es endlich wieder mal mit Kraxeln und kleinen Pfaden zu tun.
Weiter unten, vorbei an einem romantischen Fischteich, findet sich dann endlich richtig viel Sightseeing: Noch viel mehr Kanonen! Netterweise nun aber zumeist vom beschaulich verrosteten klassischen Piratenfilm-Typ.
Wir, mit uns allein!
Folglich springen unsere Kinder bald begeistert als kleine Piraten von Kanone zu Kanone und klettern auf den alten Kanonenrohren herum. Ob das ein Weg zu Geschichtsbewusstsein ist? Für den Moment sind jedenfalls die Kinder schön beschäftigt, und wir können Natur und Sonne genießen. Damit sind wir heute fast alleine auf der Insel. Im September ist in Norwegen offensichtlich keine Urlaubszeit mehr!
Auch einen romantischen Pauseplatz, direkt auf den Felsen am Meer, haben wir heute ganz für uns alleine. Was für eine großartige Aussicht, auf endloses Meer, dazwischen ein paar Schäreninseln. Zum Träumen (siehe Titelfoto)! Und auch die Schlechtwetter-Alternative, ein großes Tipi einschließlich Grillstelle, hätten wir heute für uns alleine. Aber auch ohne schlechtes Wetter ist es immerhin ein spaßiger Zwischenstopp für unsere kleinen und großen Forscher!
Ausreichend versorgt mit Picknick und Kriegs-Erinnerungsstücken ziehen wir weiter zum nächsten Highlight. Nur ein paar Meter weiter stoßen wir auf einen äußerst beschaulichen Leuchtturm. Und für die Kinder gibt es sogar eine kleine Pfütze davor, in der es sich hervorragend spielen lässt! Das Museum am Leuchtturm hat geschlossen, wie fast alle touristischen Einrichtungen hier. Aber, wer braucht schon ein Museum, wenn er so wunderbare Natur haben kann?
So wird es unversehens langsam Abend, und wir machen uns auf den Rückweg in Richtung Stadt. Natürlich darf der nicht der Straße folgen, sondern muss auf den süßen kleinen Wegen daneben stattfinden. So kommen wir unversehens – nächstes Highlight – an einem toll eingerichteten Seilgarten-Spielplatz vorbei.
Und zum Abschluss unserer heutigen Sightseeing-Tour haben wir tatsächlich noch was touristisches auf unserer Karte entdeckt: der Museums-Hafen liegt direkt auf dem Heimweg. Und heute sogar ohne Eintritt. Dafür auch weitgehend ohne Museum, ist ja keine Touristensaison mehr. Egal, passt so sowieso viel besser in diesen wunderbar gelassenen Stadt-Tag. Ein Stadtbummel ganz nach unserem Geschmack. Und ein hervorragend-toller Familien-Reise-Tag!
Schön, diese Städtetour!
Übrigens: Pflichtschuldigst haben wir uns dann am nächsten Tag doch noch die Innenstadt angeschaut. Und die war auch tatsächlich recht nett. Mit niedlichen kleinen Häuschen, einem alten Marktplatz, kleinen Läden und so. Der Park war gesperrt – der Sturm, der uns in den Bergen das Leben spannend gestaltet hatte, hatte auch hier zugeschlagen und den Park vorübergehend zum Dschungel gemacht.
Macht nichts, wir sind sowieso zielstrebig (ok, mittels Karten-App) auch an diesem Tag wieder im Wald gelandet. Diesmal im Naherholungsgebiet auf der anderen Seite der Stadt. So richtig routinierte Städte-Tripler werden wir vielleicht nie werden? Aber, schön wars, in der Stadt. Und wir sind uns einig: zwei wunderbare Reise-Tage zum Abschluss unserer großen Hardangervidda-Tour!
1 Kommentar
Sabine von Ferngeweht · 19. Oktober 2018 um 20:36
Das könnte mir auch passieren 🙂 Bin auch lieber in der Natur als in der Stadt unterwegs. Danke für den schönen Blogbeitrag!